Wie ich zum Schreiben kam

Als am 30. November 1964 um 5 Uhr 45 in der Kleinstadt Oberndorf am Neckar das grelle Neonlicht von der Decke der Geburtsstation in meine Augen blitzte, bekam ich eine erste Ahnung davon, was THRILL bedeuten könnte. Wenige Jahre später, als ich im Bilderbuch »Der Struwwelpeter« verfolgte, wie dem Daumenlutscher Konrad mit der Schere – klipp und klapp – beide Daumen abgeschnitten wurden und das arme Kind Paulinchen lichterloh mit Haut und Haar verbrannte, bekam auch das Wort HORROR eine erste Bedeutung für mich. Und selbst die Kindergartenzeit in der Obhut katholischer Ordensschwestern hielt die eine oder andere grausame Bibelgeschichte bereit. Ich war also hinsichtlich des Genres schon früh infiziert worden.


 

Zu dieser Zeit trug ich übrigens auch meinen ersten Maßanzug. An den Schneider kann ich mich noch gut erinnern. Sehr gut sogar! Komischerweise war mein Anzug dann einer seiner letzten Aufträge, die er noch erledigen konnte, bevor er plötzlich wie vom Erdboden verschluckt war. Bis heute hat man auch nie wieder etwas von ihm gehört. Seltsam. Wirklich sehr seltsam.


 

Als sich während meiner Jugendzeit die Baader Meinhof Bande mit der deutschen Staatsmacht anlegte, verschlang ich die Texte von Hesse, Kafka und Charles Bukowski und beschloss nebenbei Schriftsteller zu werden. Und es war mir todernst damit! Trotzdem traf mich ein Ereignis einige Zeit später völlig unerwartet. Es war ein Stich mitten ins Herz. Urplötzlich war ich vierzig Jahre alt geworden und hatte, mal abgesehen von meiner Diplomarbeit als Informatiker, nichts Brauchbares zu Papier gebracht. »Jetzt oder nie«, beschwor ich mich und verfasste meinen ersten Roman, der im November 2011 im KBV-Verlag veröffentlicht wurde.